In der jüngeren Vergangenheit haben sich die Geschlechterrollen von Mann und Frau stärker verändert als jemals zuvor in der Geschichte der Menschheit. Während noch bis in die Sechziger des 20. Jahrhunderts der Mann als eindeutiges Oberhaupt und Ernährer der Familie galt, dem bedingungslos gehorcht werden musste, sind die Geschlechter heute weitgehend gleichberechtigt. Die gilt nicht nur auf der Beziehungsebene, sondern betrifft selbstverständlich auch ihre Rollen als Elternteile. Allerdings sorgen die veränderten Gegebenheiten häufig auch für Unsicherheiten, da es keine vorgegebenen Modelle mehr gibt und sich jeder für einen persönlichen Weg entscheiden kann und muss. Aber auch in der heutigen Zeit kommt Vätern noch eine große Bedeutung für die Entwicklung ihrer Kinder zu – vielleicht sogar eine größere als früher.
Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Gemäß des traditionellen Familienbildes war die Mutter für den häuslichen Bereich und die Versorgung vor allem der kleineren Kinder zuständig. Sie galt als eher weich und nachgiebig und spendete Wärme und Trost, wobei ihr auch die Rolle der Verwöhnenden zugesprochen wurde. Väter dagegen waren für die Festlegung und Einhaltung der Regeln verantwortlich und galten als strenger und konsequenter. Dadurch bereiteten sie schließlich die älteren Kinder auf den Ernst des Lebens vor. Heute weiß man, dass Männer und Frauen beides gleichermaßen beherrschen – Frauen können problemlos konsequent sein, und auch Väter können ihren Kindern selbstverständlich Liebe und Geborgenheit schenken. Es gibt deshalb keinen Grund, warum Väter nicht auch Erziehungsaufgaben übernehmen sollten, die früher den Müttern vorbehalten waren. Dies gilt auch ganz unabhängig von dem jeweiligen Erziehungsstil. Wichtig ist nur, dass sich die Eltern einig sind und sich den Kindern gegenüber nicht widersprüchlich verhalten.
Dennoch gibt es zwischen den Geschlechtern Unterschiede im Verhalten, wie inzwischen wissenschaftlich festgestellt wurde. Während Frauen im Allgemeinen dazu neigen, behutsam und beschützend zu agieren, lassen Väter ihren Kindern sehr viel mehr Freiraum. Dabei gestalten sie die gemeinsamen Spiele wilder und bewegungsfreudiger und ermutigen dabei die Kleinen, Unbekanntes zu entdecken und Herausforderungen zu meistern. Damit ergänzen sie die eher vorsichtige Herangehensweise von Müttern aufs Beste und ermöglichen es ihren Kindern, ein Belastbarkeit und ein gesundes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu entwickeln.
Väter und ihre Vorbildfunktion
Der Vater ist in der Regel die erste und wichtigste männliche Bezugsperson eines Kindes. Wie er sich ihnen gegenüber, aber auch gegenüber ihrer Mutter und als Mann in anderen sozialen Situationen verhält, prägt sie dauerhaft. Welche Bedeutung der Vater für den Sohn hat, ist dabei naheliegend. Ein Junge erlebt den Vater insbesondere in den jüngere Jahren als Leitbild dafür, was es bedeutet, ein Mann zu sein. Er verinnerlicht dessen Verhaltensweisen und versucht im Normalfall, ihm nachzueifern. Wenn die Vater-Sohn-Beziehung positiv ist, kann so bereits in der frühen Kindheit der Grundstein für die spätere Persönlichkeit des dann erwachsenen Sohns gelegt werden. Auch während der Pubertät, in der das Verhältnis zwischen Vater und Sohn oft schwierig wird und von jugendlicher Rebellion geprägt ist, wirkt ein präsenter und engagierter Vater prägend. Gerade dadurch, dass sich der Sohn mit dem Männerbild, das der Vater repräsentiert, auseinandersetzt und versucht, einen persönlichen Gegenentwurf zu entwickeln, kann der Übergang ins Erwachsenenalter und die Entwicklung eines stabilen Charakters gelingen.
Aber auch für Töchter ist der Vater von enormer Bedeutung. Er ist der erste Mann in ihrem Leben, und anhand der Art, wie er seine Beziehung zu ihr, aber auch zu ihrer Mutter, gestaltet, erlernt sie, wie Beziehungen zum anderen Geschlecht funktionieren. Eine positive Vater-Tochter-Beziehung ist deshalb von enormer Bedeutung, damit Mädchen im Erwachsenenalter stabile und emotional befriedigende Beziehungen führen können. Sowohl Mädchen als auch Jungen können dank eines guten Verhältnisses zu ihrem Vater ein starkes Selbstwertgefühl entwickeln. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Kinder, die mit einem engagierten Vater aufwachsen, weniger Verhaltensauffälligkeiten zeigen und später seltener an Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen leiden als Kinder, bei denen der Vater distanziert oder sogar abwesend ist. Deshalb sollten sich Väter auch nach einer Trennung darum bemühen, weiterhin ein fester Bestandteil im Leben ihrer Kinder zu sein.
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