Von A wie Akromegalie bis Z wie Zollinger-Ellison-Syndrom – die Liste der seltenen Erkrankungen ist lang. Sie umfasst bisher ca. 8.000 Erkrankungen, von denen du vermutlich noch nie gehört hast.
Denn weniger als 5 von 10.000 Einwohnern in der EU leiden an seltenen Erkrankungen. In Deutschland sind rund 4 Millionen Menschen von einer „Seltenen“ betroffen. Das entspricht 5 Prozent der Einwohner.
Seltene Erkrankungen sind weitgehend unerforscht und schwer zu diagnostizieren.
Die Diagnose einer seltenen Erkrankung dauert im Schnitt mehr als sieben Jahre – für Betroffene oft ein langwieriger Leidensweg. Besonders wichtig ist es deshalb, die Diagnosezeit für Patienten zu verkürzen. Wie ein Hörsturz zu einer schnellen Diagnose „Akromegalie“ führte, liest du in der Geschichte von Markus Kny (52).
Seltene Erkrankung wird oft erst spät erkannt
Einen Hörsturz würde man nicht unbedingt als glücklichen Zufall bezeichnen. Für Markus Kny aus Thüringen war dies aber so.
An Weihnachten im Jahr 2001 hörte er plötzlich sehr schlecht, hatte Schwindelanfälle mit dem Gefühl, dass sich alles um ihn drehe.
Die Diagnose „Hörsturz“ war schnell gestellt, jedoch wollten die Ärzte mit verschiedenen bildgebenden Diagnostikverfahren der Ursache auf den Grund gehen.
Das Durchchecken im Krankenhaus ersparte Markus einen Leidensweg, wie er sonst oft bei seltenen Erkrankungen mit unspezifischen Symptomen zu finden ist.
Denn während der Untersuchungen fanden die Ärzte ein 4 cm großen, gutartigen Tumor in der Hirnanhangsdrüse. „Vier Zentimeter im Kopf drinnen sind zu viel“, beschreibt Markus das Ausmaß der Veränderungen in seinem Kopf.
Warum wachsen Hände und Füße übermäßig?
Ob der Tumor für den Hörsturz verantwortlich war, ist unklar. Verantwortlich war der Tumor aber unter anderem für das langsame Wachsen von Markus „Körperspitzen“, wie zum Beispiel das Wachsen der Finger oder der Wülste über den Augen.
Eine Veränderung, die seine Familie und Freunde über die Jahre hinweg nicht wahrgenommen haben. Oft fällt diese nur Bekannten auf, die die betroffene Person für eine längere Zeit nicht gesehen haben. Und dies erschwert die richtige Diagnose.
Die Fachwelt nennt diese seltene Erkrankung Akromegalie. „Akren sind die Enden des Menschen“, erläutert Markus den Fachbegriff. Megal heißt „übermäßig“.
Durch den Druck des Tumors auf die Hirnanhangsdrüse schüttet diese vermehrt Wachstumshormon aus, sodass bei Erwachsenen beispielsweise die Hände, Füße, Nase, Ohren oder die Zunge weiter wachsen.
Der als James-Bond-Bösewicht „Beißer“ bekannt gewordene Schauspieler Richard Kiel litt an der Krankheit. Seine außergewöhnliche Körpergröße von 2,17 Meter ist auf die Hormonstörung Akromegalie zurückzuführen. Bereits mit 18 Jahren war er über 2 Meter groß.
Markus ist zwar nicht mehr in die Höhe gewachsen, aber seine Hände und Füße sind größer geworden. Auch sein Kiefer hatte sich nach vorne geschoben. Zudem schwitzte er übermäßig stark, hatte oft Kopfschmerzen und litt teilweise an völliger Erschöpfung – alles typische Symptome dieser seltenen Erkrankung.
Lebenslange Behandlung notwendig
In einer anschließenden Operation konnte der Tumor aufgrund seiner Größe nicht vollständig entfernt werden. Deshalb musste sich Markus einer Bestrahlung unterziehen und nimmt seitdem regelmäßig Medikamente ein.
„Zum Glück ist der Tumor nicht weiter gewachsen“, so der Familienvater aus Thüringen. Durch die richtige Behandlung hat sich sein verändertes Aussehen auch wieder zurückgebildet.
Das Gesicht ist wieder schmaler geworden, doch seine Hände sind groß geblieben. Und die Gelenke schmerzen ihm beim Laufen oder Heben, denn sie wurden durch die Akromegalie geschädigt.
Schmerzen, mit denen Markus nun leben muss. Die jedoch ohne die glückliche zufällige Diagnose durch weitere schwerwiegende Verformungen noch größer hätten sein können.
Positiv bleiben und Selbsthilfegruppen nutzen
Wichtig für Markus ist es, dass er nicht für seine Krankheit lebt, sondern ein fast normales Leben führt. Sehr gerne hätte er sich mit der Erkrankung frühzeitig auseinandergesetzt – und so ist dies auch sein Rat an alle Patienten, die neu diagnostiziert werden.
Selbsthilfegruppen stehen Betroffenen mit Rat und Tat zur Seite – denn obwohl es sich um eine seltene Erkrankung handelt: Man ist nicht alleine. Im Austausch erfahren Betroffene oft wertvolle Unterstützung.
Sie können über ihre Erfahrungen und Erlebnisse erzählen, fühlen sich in der Gruppe verstanden und können sich gegenseitig emotional unterstützen und motivieren. Weiterhin gibt es praktische Lebenshilfe für den Umgang mit der Akromegalie und deren Herausforderungen im Alltag.
Die Vernetzung der Patienten ist ein wichtiger Punkt auch im Selbsthilfeprozess. Selbsthilfegruppen, wie Netzwerk Hypophysen- und Nebennierenerkrankungen e.V., fördern den Kontakt mit anderen Patienten und Ärzten und bieten Informationsmaterial für Betroffene und ihre Angehörigen. Informationen zu Akromegalie findest du unter: www.glandula-online.de.
Was steckt hinter der seltenen Erkrankung Akromegalie?
Die Akromegalie gehört zu den seltenen Erkrankungen. In Europa sind ca. 5 bis 7 von 100.000 Menschen erkrankt. Die Diagnose erfolgt durchschnittlich erst nach 7 bis 10 Jahren.
Bei der Akromegalie handelt es sich um eine erworbene Erkrankung, bei der vermehrt Wachstumshormon (Somatotropin) produziert wird. Ursächlich dafür ist ein gutartiger Tumor in der Hirnanhangsdrüse, ein sogenanntes Hypohphysenadenom.
Dieses produziert unkontrolliert Wachstumshormon, wodurch es zu einer Vergrößerung der Körperendglieder (= Akren, z.B. Hände, Füße oder Zunge) und zu charakteristischen Veränderungen der Gesichtszüge sowie zu vielfältigen anderen Symptomen, wie Erschöpfung, übermäßiges Schwitzen, Weichteilschwellungen oder Gelenkschmerzen kommen kann.
Bei einer Akromegalie können auch weitere Begleiterkrankungen vorkommen. Dazu gehören Bluthochdruck, Schlafapnoe, Glukoseintoleranz oder Diabetes, als auch Muskelschmerzen.
Hilfe im Netz
Im Internet findest du verschiedene Anlaufstellen und Plattformen zu seltenen Erkrankungen.
- www.achse-online.de: ACHSE steht für Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen. Unter der Schirmherrschaft von Eva Luise Köhler setzt sich das Netzwerk für die Interessen von Menschen mit seltenen Erkrankungen ein.
- www.orpha.net ist ein Informationsportal für Ärzte und Patienten. Hier sind Medikamente, medizinische Zentren und auch Studien gelistet.
- www.se-atlas.de: Der vom Bundesministerium für Gesundheit geförderte Versorgungsatlas bietet eine Übersicht von medizinischen Zentren, die auf seltene Erkrankungen spezialisiert sind.
- www.hilfefuermich.de: Ist eine von mehreren Patientenorganisationen gemeinsam geführte Plattform zu verschiedenen Erkrankungen. Hier findest du Hilfe und Tipps, was du tun kannst, wenn du eine Erkrankung hast, aber noch keine Diagnose.
© Gastbeitrag: 2strom. Die Healthcare Agentur
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