Vor ein paar Tagen ist mir ein Artikel in die Hände gefallen, in dem der Autor dafür plädiert, das Ruder den Frauen zu überlassen, da die Männer offensichtlich nicht damit umgehen könnten und es, wie er schreibt, „verbockt“ hätten. Wirtschaftlich, klimatechnisch und global. Ich als Frau fühlte mich zunächst geschmeichelt, doch dann habe ich letzte Nacht von Emmanuel Macron geträumt und bin mit dem Satz „Wenn Frauen wieder Frauen sind, können Männer auch wieder Männer sein“ aufgewacht.
Nun gehöre ich eigentlich nicht zu den Menschen, die Träumen lange nachgehen, trotzdem scheint mich das Thema zu beschäftigen, sonst würde mein Unterbewusstsein nachts nicht solche Sätze ausspucken. Hat der Autor recht? Brauchen wir mehr Frauen an den großen Hebeln? Wäre dann alles besser?
Gäbe es weniger Kriege? Würden wir den Klimawandel aufhalten können, die Zahl der Alleinerziehenden reduzieren, die Schere zwischen arm und reich wieder schließen? Tragen, um es mal mit anderen Worten auszudrücken, die Männer also die Schuld daran, dass alles so ist, wie es ist?
Statos quo der „Ungerechtigkeiten“
Schauen wir zunächst einmal auf die Zahlen. Frauen in Führungspositionen großer Konzerne sind zumindest in Deutschland Mangelware. Der Frauenanteil in den Vorständen der Top 200 Unternehmen liegt bei mageren 8,1 Prozent, der Frauenanteil in Führungspositionen insgesamt bei 21,3 Prozent. Oft ist von der Gläsernen Decke die Rede, die Frauen davon abhält, in höhere Positionen aufzusteigen.
Gemeint ist übersetzt, dass Männer die Frauen raushalten und lieber untereinander klüngeln. Im Gegensatz zum niedrigen Prozentsatz der Führungsfrauen ist der Anteil der alleinerziehenden Mütter in Deutschland exorbitant hoch. Laut Bundesministerium ist in neun von zehn Fällen der alleinziehende Elternteil die Mutter.
Viele fühlen sich von den Vätern und vom Staat alleingelassen und dass, obwohl es immer mehr Väter gibt, die ihr Recht auf die Betreuung der Kinder einfordern, es in jedem Landkreis eine Frauenbeauftragte gibt und jede Menge Frauenförderung betrieben wird.
Irgendwo scheint also der Wurm drin zu sein, wenn das Bild nach vielen Jahren Feminismus immer noch so aussieht, dass die Frau mit dem Kind auf dem Arm am Herd steht und der Mann sich in seinem Chefsessel aalt und die Welt zerstört. Dazu kommt #metoo – also insgesamt auf den ersten Blick eine klare Sache.
Gleichberechtigung oder Gerechtigkeit?
Mann-Sein wird in der öffentlichen Wahrnehmung mehr und mehr negativ assoziiert, während Frauen auf vielen Ebenen Opfer der überbordenden Männlichkeit sind. Eben genauso, wie es auch der Autor beschreibt.
Von Gleichberechtigung sind wir also weit entfernt. Aber was heißt Gleichberechtigung eigentlich? Dass alles pari-pari aufgeteilt ist? Das würde bedeuten, dass wir nicht nur für die Führungspositionen eine Frauenquote einführen müssten, sondern auch für die Armee, für die Müllabfuhr, für technische Berufe oder andere Bereiche, in denen Frauen unterrepräsentiert sind.
Umgekehrt dürfte es dann bitte auch mehr Männer in sozialen Berufen und zu Hause am Herd geben. Könnte funktionieren, ist aber Unsinn, denn warum muss man etwas gleichmachen, was vielleicht gar nicht gleich ist? Warum sollen Männer sich nicht dort ausbreiten, wo sie sich von ihrem Naturell her zuhause fühlen? Umgekehrt genauso.
Leider begibt man sich, wenn man so etwas schreibt oder denkt, direkt in den Heizkessel des modernen Feminismus, wo es geradezu verpönt ist, Frauen und soziale Ambitionen gleichzusetzen.
Das heißt, obwohl Frauen vielleicht in der Lage wären, Kraft ihrer weiblichen Qualitäten für eine Art Harmonie des großen Ganzen zu sorgen, darf man sie nicht dazu auffordern, denn das wäre am Ende vielleicht sogar sexistisch. War sich der Autor des Textes dessen eigentlich bewusst?
Mann = Krieg = Gewalt = Zerstörung?
Für mich geht es bei all dem viel mehr um die Frage, wie es kommt, dass die Kiste so verfahren scheint. Wie überhaupt jemand darauf kommt, zu meinen, dass ein Geschlecht dazu prädestiniert ist, die Welt in Schutt und Asche zu legen, während das andere für blühende Landschaften und eine heile Welt steht, in der es keine Gewalt gibt.
Als ob wir nicht schon genug Gräben hätten, wird an dieser Stelle von vielen Seiten noch tiefer gegraben, statt einfach mal eine tragfähige Brücke zu bauen. Frauen waren nie das friedfertige Geschlecht.
Die Autorin Cora Stefan hat es so formuliert: „Frauen haben für den Krieg und im Krieg immer eine Rolle gespielt. Mal waren sie Trophäe, mal Zuschauerinnen, mal begehrte Objekte, mal Opfer, nicht selten Nutznießerinnen und oft diejenigen, die den Schaden hernach beseitigen mussten, ob als Trümmerfrauen, Krankenschwestern oder Mütter.
Sie stachelten die Männer auf, sie gaben „Gold für Eisen“, sie riefen zum Durchhalten auf, sie belohnten mit Sex, sie strickten Socken, sie verspotteten den Feind. Sie töteten nicht, sie ließen töten.“ Und die Männer? Ihnen das Gewand „gewalttätig“ überzustreifen, ist eine Pauschalisierung, die an der Wahrheit vorbeigeht.
Unzählige Männer haben sich für Frieden aufgeopfert, bekämpfen das Leid auf dieser Welt, setzen sich für Umweltschutz und eine nachhaltige Zukunft ein. Sie sind oft genug mehr Retter als Zerstörer.
Männliche und weibliche Prinzipien
Für mich liegt die Lösung nicht darin, den Frauen das Ruder zu überlassen, sondern sich selbst und die anderen erst einmal in ihrem So-Sein zu sehen, anzuerkennen und dann eine Solidargemeinschaft zu bilden.
Die Welt und die Herausforderungen, vor denen wir stehen, sind mittlerweile zu komplex, als dass wir sie allein lösen könnten oder dadurch besser machen, indem wir uns gegenseitig den Schwarzen Peter zuschieben. Ich glaube nicht, dass Frauenquoten etwas ändern, ich glaube aber, dass die Rückbesinnung auf männliche und weibliche Prinzipien und die Verbindung beider ein Schlüssel ist.
Sowohl im außen als auch im Inneren. Prinzipien bedeuten nicht, dass man neue Schubladen eröffnet. Eher bieten sie einen Raum an, der erkennen lässt, wofür etwas steht. So könnten wir voneinander lernen und die eigenen männlichen oder weiblichen Anteile entwickeln, statt sie aus dem Mangel heraus beim Gegenüber zu verurteilen.
Im Kern wollen wir als Menschen gesehen werden – Männer wie Frauen. Das beginnt schon mit dem ersten Atemzug und alles, was sich danach entwickelt, unterliegt diesem Grundbedürfnis. Ob man es nun glauben will oder nicht: Jeder Akt der Zerstörung ist am Ende nichts anderes, als ein Schrei nach Liebe und Aufmerksamkeit. Und der kommt von Frauen und von Männern gleichermaßen.
Gastautorin: Jeannette Hagen
Die Journalistin Jeannette Hagen hat ein Buch über Vaterentbehrung geschrieben. In „Die verletzte Tochter*“ erzählt sie nicht nur einen Teil ihrer eigenen Geschichte, sondern beleuchtet das Thema aus gesellschaftlicher Sicht.
Vaterentbehrung ist ein Phänomen, das sich rückblickend durch viele Generationen zieht. Sie prägt unsere Gesellschaft und die Art, wie Männer und Frauen miteinander umgehen und wir würden gut daran tun, ihr mehr Öffentlichkeit zu geben, so die Autorin.
Mehr Informationen über Jeannette Hagen auf:
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Sehr schöner Artikel, der mir aus dem Herzen spricht. Erst letzens hat mir eine Feministin allen ernstes auf meine Frage, was den der Feminismus für mich als Mann tut erklärt, er würde mir helfen, meine toxische Männlichkeit zu überwinden. Sie meinte das vollkommen ernst und merkte überhaupt nicht, wie abwertend, diskriminierend und übergriffig das ist.
Ich habe noch nie so einen Müll gelesen! Die Autorin lebt in einer rosafarbenen Blase…