Wir haben vor kurzem ein Interview mit Suzana Pavic über das Thema „Borderline Co-Abhängigkeit“ geführt.
Zu dieser Thematik haben wir sehr viele Anfragen von unseren Lesern erhalten, die an uns mit konkreten Fragen und Anliegen zum Thema „Borderline“ herangetreten sind. Ein Großteil dieser Fragen bezieht sich auf die „Borderline Therapie“. Suzana Pavic hat sich auch ein zweites Mal bereit erklärt, die Fragen unserer Leser zu beantworten.
Hallo Suzana, unsere Leser interessiert es besonders, wie eigentlich „Borderline“ diagnostiziert wird“?
Jeder Mensch hat eine individuelle Persönlichkeit, d.h. eine Struktur von Eigenschaften und Verhaltensweisen, die ihm seine charakteristische und unverwechselbare Individualität verleihen und die weitgehend konstant sind.
Eine Störung der Persönlichkeit liegt nicht schon dann vor, wenn einzelne Verhaltensweisen aus dem Rahmen fallen. Es müssen vielmehr abgrenzbare und starre Persönlichkeitszüge vorliegen, die zu Verhaltensmustern führen, die unangepasst, also anders als die der sogenannten „Norm“ sind, und dies in unterschiedlichen sozialen Umgebungen. Mit anderen Worten: Es geht bei Persönlichkeitsstörungen nicht um normabweichendes Verhalten, sondern darum, dass Verhalten auf starren, einer Änderung nicht oder nur sehr begrenzt zugänglichen Persönlichkeitszügen beruht. Nur weil sich jemand „anders“ verhält, bedeutet das noch nicht, dass er eine Persönlichkeitsstörung hat. Wenn sich jemand allerdings in vielen Situationen anders verhält, als dies den gesellschaftlichen Gepflogenheiten entspricht und dies nicht beeinflussen kann, dann kommen wir in den Bereich, in dem Verhalten möglicherweise auf einer Störung der Persönlichkeit beruht.
Einen Störungs- oder Krankheitswert haben diese verhaltensbestimmenden Persönlichkeitszüge aber nur, wenn die durch sie erzeugten Verhaltensmuster durch ihre Unangepasstheit immer wieder Leid bei den Betroffenen hervorrufen, z.B. indem die Umwelt mit Unverständnis und Ausgrenzung auf die Betroffenen reagiert. Normabweichendes Verhalten kann zu ganz erheblichen sozialen Nachteilen führen, z.B. können sich Leute mit Störungen der Persönlichkeit aufgrund des normabweichenden Verhaltens mitunter nicht in die Arbeitswelt integrieren, was schwerwiegende Folgen für die Erwerbschancen in unserer Gesellschaft hat oder Beziehungen sind regelmäßig mit viel Leid verbunden. Dann kommen wir in den Bereich von Störungen der Persönlichkeit. Störungswert haben die Persönlichkeitszüge auch dann, wenn das Leid immer wieder bei der Umwelt hervorgerufen wird, z.B. durch wiederkehrende Beziehungsabbrüche oder fehlende Empathie.
Um eine Persönlichkeitsstörung diagnostizieren zu können, ist eine multiaxiale oder mehrdimensionale Diagnostik notwendig. D.h., man nähert sich dem Betroffenen aus unterschiedlichen Sichtweisen und sammelt so viele Informationen wie möglich. Wenn der Betroffene damit einverstanden ist, können zum Beispiel auch Informationen von Außenstehenden erlangt werden, z.B. von Beziehungspartnern. Dies hat den großen Vorteil, dass neben die sehr subjektiv geprägte Sichtweise des Betroffenen eine andere – sicherlich auch subjektive – Sichtweise tritt, die das ein oder andere relativiert und wichtige Zusatzinformationen gibt.
Die Borderline-Störung ist ein komplexes Krankheitsbild, das anhand verschiedener Verhaltensweisen und bezeichnender Persönlichkeitszüge diagnostiziert werden kann. Für die Diagnose müssen insbesondere ein stark impulsives Verhalten sowie ein tiefgreifendes Muster von Instabilität in den Affekten, im Selbstbild und in den zwischenmenschlichen Beziehungen vorliegen. In den meisten Fällen zeigen sich die Verhaltensweisen über einen längeren Zeitraum und haben sich bereits in der Pubertät abgezeichnet.
Zudem müssen mindestens fünf der folgenden Kriterien erfüllt sein, damit eine Borderline-Störung vorliegt:
- Verzweifeltes Bemühen, reales oder imaginäres Alleinsein zu verhindern.
- Ein Muster von instabilen und intensiven zwischenmenschlichen Beziehungen.
- Identitätsstörungen: Eine ausgeprägte Instabilität des Selbstbildes oder des Gefühls für sich selbst.
- Impulsivität in mindestens zwei potentiell selbstbeschädigenden Bereichen (z.B. Geldausgeben, Sex, Substanzmissbrauch, rücksichtsloses Fahren, Fressanfälle).
- Wiederkehrende Suiziddrohungen, -andeutungen oder -versuche oder selbstschädigendes Verhalten.
- Affektive Instabilität, die durch eine ausgeprägte Orientierung an der aktuellen Stimmung gekennzeichnet ist (z.B. starke episodische Niedergeschlagenheit, Reizbarkeit oder Angst)
- Chronisches Gefühl der Leere
- Unangemessen starke Wut oder Schwierigkeiten, Wut oder Ärger zu kontrollieren (z.B. häufige Wutausbrüche, andauernder Ärger, wiederholte Prügeleien)
- Vorübergehende stressabhängige paranoide Vorstellungen oder schwere dissoziative Symptome
Nicht alle Betroffenen fügen sich selbst Verletzungen zu und auch nicht alle sind suchtkrank. Oft tritt die Borderline-Störung jedoch zusammen mit anderen Krankheiten (z.B. Depressionen) und Störungsbildern auf.
Das Störungsbild ist auch wegweisend für die Art der Therapie. Je nachdem, welche der Kriterien in welcher Intensität vorliegen bzw. welche Schwere die Beeinträchtigungen in der Gesamtschau aufweisen, werden die weiteren Schritte und die Art der Therapie bestimmt – für jeden so, wie es ihm am besten hilft.
Ab welchem Alter kann Borderline überhaupt diagnostiziert werden?
Nach derzeitigem Stand der Wissenschaft soll die Borderline-Diagnose schon ab dem 16. Lebensjahr gestellt werden können. Wenn entsprechende Symptome schon vorher vorliegen und mindestens ein Jahr andauern, dann auch schon vorher. In der Kindheit kann „Borderline“ als Diagnose grundsätzlich nicht vergeben werden.
Meine persönliche Meinung ist, dass man eine Persönlichkeitsstörung nicht vor dem 23. Lebensjahr diagnostizieren sollte, weil man erst dann von einer gereifter Persönlichkeit sprechen kann. Mit 16 ist man immer noch in der Phase der Pubertät und Identitätssuche, ergo einer Reifungsphase. Gerade die Suche nach Identität führt in jüngeren Jahren zu Verhaltensmustern, die leicht zu einer vorschnellen und falschen Diagnose führen können. Hier ist große Vorsicht geboten.
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Wie entsteht „Borderline“? Ist dies genetisch oder neurobiologisch bedingt oder haben auch psychische und umweltbezogene Faktoren Einfluss auf die Krankheit?
Die Ursachen der Störung sind vielschichtig und müssen für jeden Betroffenen individuell herausgearbeitet werden. Es gibt biologisch-neurologische Ursachen sowie auch psychosoziale Faktoren. Heute geht man davon aus, dass ein erheblicher Anteil der Borderline Persönlichkeitsstörung von genetischen Faktoren mitbestimmt wird. Ob diese genetischen Anlagen tatsächlich dazu führen, dass sich eine Borderline Persönlichkeitsstörung entwickelt, hängt auch davon ab, welche Lebenserfahrungen jemand mit der entsprechenden genetischen Grunddisposition macht. Besonders häufig finden sich in der Biografie der Betroffenen Traumata, sexuelle Gewalterfahrungen und/oder körperliche Gewalterfahrungen und/oder schwere Vernachlässigungen. Oftmals werden diese Erfahrungen bereits in der frühen Kindheit gemacht. Man kann hier nun darüber diskutieren, ob eine ungünstige Grundeinstellung erst durch Lebenserfahrungen entsteht oder schon in der Persönlichkeit angelegt ist, jedenfalls aber ist diese Grundeinstellung mitentscheidend in der Ausformung der Persönlichkeit. Gleiches gilt für schädliche Verhaltensmuster. Die Borderline fördernden Faktoren bedingen sich also auch gegenseitig.
Die vorhandenen Störungsbilder sind hochkomplex und entsprechend muss auch die Therapie der Persönlichkeitsstörung auf die konkreten Ursachen im Einzelfall abgestimmt werden. Das nennt man ein mehrdimensionales Vorgehen.
Mehrere unserer Leser wollten unbedingt wissen, wie man sich eine „Therapie für Borderliner“ vorstellen könnte?
Zum einen können verschiedene Therapiemethoden kombiniert werden, also Einheiten in Einzel- und Gruppentherapie.
Es existieren verschiedene Therapieformen, die auf unterschiedliche Schwerpunkte der Erkrankung abzielen. Im Folgenden eine beispielhafte Aufzählung von Therapiemöglichkeiten:
Dialektisch behaviorale Therapie (DBT)
Die DBT integriert Methoden aus verschiedenen Bereichen, wie der Verhaltenstherapie, der kognitiven Therapie, der Gestalt- und Hypnotherapie und aus dem Zen. Es gibt bei dieser Behandlungsform Einzel- und Gruppentherapie sowie Supervision. Je nach Art des Verhaltens oder des Problems wird die passende Methode ausgewählt. In drei Therapiephasen werden unterschiedliche Behandlungsziele verfolgt: In der ersten Therapiephase stehen schwerwiegende Störungen der Verhaltenskontrolle im Vordergrund. Hier werden je nach Bedarf auch Fertigkeiten trainiert, die eine Problemlösung für den Patienten ermöglichen, z.B. Fertigkeiten zur Stresstoleranz, zur Gefühlskontrolle, zwischenmenschliche Fertigkeiten, Selbstwertsteigerung und Körperwahrnehmung. In der zweiten Therapiephase werden schwerwiegende Störungen des emotionalen Erlebens bearbeitet und in der dritten Therapiephase Probleme der Lebensführung behandelt.
Schematherapie / schemafokussierte Therapie (SFT)
Die SFT geht von der Annahme aus, dass aufgrund ungünstiger Kindheitserlebnisse früh entstandene Schemata die Hauptursache für die Entwicklung von Persönlichkeitsstörungen darstellen. Diese Schemata liegen auf einer tiefen, dem Bewusstsein schwer zugänglichen Ebene und sind stark mit negativen Gefühlen verbunden. Man vermutet, dass Borderline-Patienten zwischen fünf unterschiedlichen Schemata wechseln.
Das Ziel der Behandlung ist, dass die unbewussten Schemata geändert werden und der Patient wie ein „gesunder“ Erwachsener agieren kann.
Mentalisierungsbasierte Therapie (MBT)
Die MBT basiert auf der Annahme, dass das Hauptproblem in einer mangelhaften Ausprägung der Subjekt-Objekt-Differenzierung liegt. Die Fähigkeit, eigenes Erleben in einen verstehenden Zusammenhang zu stellen, ist gestört. Ebenso mangelt es an der Fähigkeit, innere Vorgänge bei anderen Menschen zu erkennen und zu verstehen. Daher zielt die MBT auf eine Verbesserung dieser Fähigkeiten. Dadurch kann die Affekt- und Impulskontrolle gesteigert werden, was sich automatisch positiv auf das Beziehungsleben auswirkt.
Transference Focussed Therapy (TFP; übertragungsfokussierte Psychotherapie)
Die TFP basiert wie die MBT auf der Annahme, dass das Hauptproblem in einer mangelhaften Ausprägung der Subjekt-Objekt-Differenzierung liegt. Der Begriff „Objekt“ bezieht sich hierbei auf den Partner, der auf die Äußerungen und Handlungen des „Subjekts“ (den Borderline-Patienten) eingeht und reagiert. In der Therapie wird versucht, eine gestörte Objektbeziehung, die oft in der Kindheit entstanden ist (Beziehung zu Eltern, Pflegeeltern, usw.), auf den Therapeuten zu übertragen und dadurch aufzuarbeiten.
Nach meinen Recherchen gibt es verschiedene Ansätze, um Borderline Patienten zu therapieren, nach welchem Ansatz arbeitest du und warum?
Da Borderliner sehr individuell und unterschiedlich sind, stelle ich mich auch individuell auf den Klienten ein. Ich entwickle für jeden Klienten einen individuellen Ansatz, der zu seinen Bedürfnissen und Fertigkeiten passt. Meistens arbeite ich multimodal. Das bedeutet, dass ich mehrere Ansätze verfolge und aus diesen die Ansätze schwerpunktmäßig vertiefe, die zu meinem Klienten passen. Das ist ein kontinuierlicher Prozess, der sich ständig – auch mit den Themen – verändert, weshalb die Anpassung zusammen mit dem Klienten erfolgt.
Sollte sich in einzelnen Fällen andeuten, dass eine stationäre Therapie erforderlich sein könnte, helfe ich meinen Klienten auch gerne bei der Auswahl einer geeigneten Klinik bzw. der Suche nach einem Therapieplatz.
Da meine Kernkompetenz die Dynamik in einer Beziehung mit einem Borderliner ist, melden sich bei mir etliche Borderliner und Paare, die ihre Beziehungsprobleme nicht selbst lösen können. In solchen Fällen ist es erfahrungsgemäß sehr hilfreich, wenn der Borderliner an seiner Selbst- und Fremdwahrnehmung arbeitet. Denn die meisten Probleme entstehen, weil man sich unverstanden fühlt, was für beide Partner in einer derartigen Beziehung häufig der Fall ist. Es geht darum, die Missverständnisse zu reduzieren, die darauf beruhen, dass die Partner unterschiedliche Wahrnehmungen haben. Daher versuche ich, mit den Paaren eine gemeinsame Kommunikationsebene zu erschaffen, auf der sich jeder verständlich machen kann und den anderen auch verstehen kann.
Unter anderem verwende ich Ansätze aus der der Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT). ACT ist ein kognitiv-verhaltenstherapeutischer Ansatz. Meine Klienten können damit lernen, emotionalen Problemen auf eine förderliche Weise zu begegnen und im Ergebnis besser damit umzugehen, so dass sie ihre Lebensziele verfolgen können. ACT geht davon aus, dass es sechs störungsrelevante Prozesse gibt, die psychische Inflexibilität verursachen, die einen also daran hindern, mit seinen Problemen in einer förderlichen Weise umzugehen. ACT zielt darauf ab, die sechs störungsrelevanten Prozesse, die psychische Inflexibilität verursachen, zu verändern, so dass der Klient in die Lage versetzt wird, mit seinen Problemen sinnvoll und gut umzugehen, also seine Verhaltensmuster zu ändern.
Ich verwende auch viele systemische Ansätze, wie z.B. Ressourcenarbeit – zur Stabilisierung und Stärkung – sowie ein s.g. Ambivalenz-Management. Wie oben schon erwähnt: ich arbeite sehr individuell, weil jeder Mensch individuell ist und unterschiedliche Dinge braucht.
Meiner Erfahrung nach ist es das Wichtigste für einen Borderliner, dass er sich von seinem Therapeuten verstanden fühlt, weil ihm dies dabei hilft, sich selbst zu verstehen und so zu erkennen, was genau in ihm vorgeht und das auch als Teil der Persönlichkeit zu akzeptieren. Dieses Verstanden fühlen muss man sich vorstellen wie einen Spiegel. Im Spiegel kann sich ein Borderliner besser erkennen, als wenn er alleine grübelt. Ich helfe ihm, sich selbst zu sehen und zu erkennen. Denn wenn er versteht, was in ihm vorgeht, dann kann er auch damit arbeiten. Dafür ist der personenzentrierte Ansatz nach Carl Rogers sehr gut geeignet.
Wenn ein Borderliner ganz genau weiß, wie gewisse Mechanismen funktionieren, kann er diese Erkenntnisse in einem weiteren Schritt nutzen. So kann er in eine Beobachterrolle schlüpfen und von dort aus genauer beobachten, was in dem Moment passiert, welche Gedanken sich zusammenfügen und welche Filme sich abspielen. Die Mechanismen kann er vielleicht nicht steuern, da sie so schnell einsetzen, dass man sie nicht anhalten kann. Aber er muss dann nicht mehr dem Impuls folgen, z.B. dem starken Drang, wegzurennen oder anzugreifen, sondern er kann beobachten.
Ich helfe ihm auch bei dieser Arbeit, also beim Schlüpfen in die Beobachterrolle und mit der Bewertung der gewonnenen Erkenntnisse, sodass er mit der Erkenntnis daraus Fortschritte erzielen kann, z.B. eine Neubewertung vornehmen und sein Verhalten ändern kann.
Ich mache auch Kriseninterventionen, wenn sich Borderliner in einer emotionalen Krise befinden.
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Ab welchem Punkt werden auch Psychopharmaka bei einer Borderline Therapie eingesetzt?
Es gibt durchaus Medikamente, die zur Stabilisierung der Stimmung und zur Unterstützung der Behandlung eingesetzt werden können, z.B. bestimmte Stimmungsstabilisierer, Antipsychotika oder Antidepressiva. Als alleinige Behandlung sind sie aber nicht ausreichend, weil die Ursachen der Störung nicht rein biochemisch sind, sondern eben auch andere Faktoren dazu treten, z. B. psychosoziale Faktoren.
Ist Borderline heilbar? Falls nicht, inwieweit kann das Ausmaß der Krankheit gelindert werden, um ein normales Leben führen zu können?
Die Frage ist, wie man Heilung definiert. Das Gegenteil „Krankheit“ wird über die „pathologischen“ Aspekte definiert, also über das Leid (griech: πάθος, páthos: Leid). Ohne Leid gibt es prinzipiell keine Krankheit, sondern allenfalls einen Zustand, der von dem abweicht, was als Norm definiert wird.
Meines Erachtens nach kann man dann von Heilung sprechen, wenn der Leidensdruck nicht mehr gegeben ist, d.h. wenn der Betroffene und die Umgebung nicht mehr unter den Persönlichkeitszügen und den dadurch verursachten Verhaltensmustern leiden, sondern wenn der Betroffene und seine Umgebung damit gut leben können.
Auch mit der Diagnose und mit fortbestehender Störung können die Betroffenen durchaus eine gute Lebensqualität erreichen. Borderline ist ja nur ein Teil der Persönlichkeit. Wenn man daran so arbeitet, dass der Leidensdruck reduziert wird, kann man damit eine durchaus akzeptable, ja sogar gute Lebensqualität erreichen.
Borderliner sind sehr unterschiedlich. Es gibt auch verschiedene Ausprägungen in der Schwere der Störung. Zugleich weisen viele Borderliner auch andere Störungsbilder auf (Komorbiditäten). Daher kann man pauschal nicht sagen, wie viele Betroffene mit der Störung ein Leben mit geringem Leidensdruck führen können.
Was den Beruf angeht, erlebe ich das so, dass viele Borderliner sehr erfolgreich im Beruf sind und ihnen dieser Erfolg auch wiederum Stabilität und Struktur gibt. Andererseits gibt es auch viele Borderliner, die nicht arbeitsfähig sind. Es hängt jeweils mit der Ausprägung der Störung und den jeweils vorherrschenden Symptomatik zusammen
Als eher problematisch erweisen sich hingegen Beziehungen, weil die emotionale Ebene so schwer regulierbar ist. Das gilt umso mehr, je enger die Beziehungen sind. Hier gibt es mehrere Möglichkeiten, damit umzugehen. Zu einer Therapie kann es auch gehören, die spezifischen Empfindlichkeiten zu erkennen und zu lernen, besser damit umzugehen, d.h. so, dass mit diesen Empfindlichkeiten weniger Leid sowohl für den Borderliner als auch seinen Partner verbunden ist.
Beziehungen können gelingen, wenn beide Partner Bereitschaft zeigen, an der Gestaltung der Beziehung zu arbeiten.
Neben der Psychotherapie und Medikamenten gibt es auch weitere Ansätze, die sich teilweise noch in der Forschung befinden.
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Wie bist du auf das Thema „Borderline“ gestoßen und was hat dich dazu bewegt, dich genau auf diese Thematik zu spezialisieren?
Ich hatte vor vielen Jahren eine schwierige Beziehung zu einem Borderliner und wollte nach der Trennung verstehen, was da passiert ist. Aus diesem Grund habe ich damals angefangen, mich sehr intensiv mit dem Thema zu beschäftigen. Es war mir zu einfach, auf die Worte zu hören: Er ist krank, lass es. Ich wollte es verstehen, es begreifen und so ist mein Interesse immer größer geworden.
Ich bin heute sehr dankbar für diese Beziehung, denn durch sie habe ich zu Aspekten meines Seins gefunden, die ich sonst vielleicht nicht oder erst sehr viel später erkannt hätte. Eine Beziehung zu einem Borderliner hat durch seine hohe Empfindsamkeit und sein untrügliches Gespür auch ein großes Potential für seinen Partner. Ich bin – trotz aller Schwierigkeiten – dankbar, diese positiven Seiten einer Borderline-Beziehung erlebt haben zu dürfen.
Danke für das Interview.
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Weitere Informationen über Suzana Pavic auf http://suzana-pavic.de
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